* Für alle Fans von Daughter of the Pirate King, Fable und Filmen wie Fluch der Karibik *

A Song of Sea and Salt ist eine abgeschlossene Romantasy-Dilogie. Der zweite Band stellt das Finale rund rum Scarlet, Robb und ihrer Crew furchtloser Piratinnen.

 

Erscheinungstermine

  • A Song of Sea and Salt 1: 27.06.2025
  • A Song of Sea and Salt 2: 08.08.2025

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Tropes

Piratenfantasy
Piratin x Commodore
Abenteuer
Treasure hunt
Slow burn
Strangers to enemies to lovers

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Inhalt

Seit Jahren verdient sich Scarlet ihren Lebensunterhalt in einem Freudenhaus auf Tortuga, indem sie ihren Gästen mit Geigenmusik Sehnsüchte und Träume von Abenteuern und Freiheit in die Köpfe zaubert. Dabei wünscht sie sich nichts sehnlicher, als an der Seite ihres Vaters, dem berüchtigten Piratenkapitän Blackbeard, selbst in See zu stechen.

Als sie erfährt, dass ihr Vater von den Engländern gefangen genommen wurde, verkleidet sie sich als Schiffsjunge und heuert auf einem Handelsschiff an – fest entschlossen, ihn zu retten.

Was als Befreiungsmission beginnt, wird bald zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Als sie dem kühlen und unnahbaren Commodore Robert Maynard in die Hände fällt, geraten nicht nur ihre Pläne ins Wanken, auch verhängnisvolle Gefühle erwachen in ihr. Doch ihre Tarnung ist in ständiger Gefahr: Als Frau an Bord bricht sie das Gesetz, doch als Piratentochter enttarnt zu werden, würde den Tod bedeuten.

Details

  • Genre: Romantische Fantasy
  • Altersempfehlung: Ab 13 Jahren
  • Seiten: 292
  • ET: 27.06.2025
  • ISBN: 979-8285236030

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Inhalt

Scarlet hat sich ihren Traum erfüllt: Endlich segelt sie als freie Piratin durch die karibischen Gewässer – dem Flüstern uralter Legenden folgend, auf der Suche nach dem sagenumwobenen Schatz einer Göttin. Für ihr waghalsiges Vorhaben versammelt sie auf Tortuga eine ungewöhnliche Crew – mutige Frauen, die wie sie selbst nach einem neuen Leben streben.

Doch Scarlet ist nicht die Einzige, die hinter dem Schatz her ist. Auch er ist wieder aufgetaucht – Commodore Robert Maynard. Der Mann, den sie niemals wiedersehen wollte, und dessen Blick noch immer eine Sehnsucht in ihr weckt, die sie sich nicht eingestehen will.

Details

  • Genre: Romantische Fantasy
  • Altersempfehlung: Ab 13 Jahren
  • Seiten: 320
  • ET: 08.08.2025
  • ISBN: 

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5/5

Leseprobe

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Im Gleichklang mit den Matrosen auf den anderen Schiffen erklomm sie die Wanten und kletterte in den Mastkorb. Mit geschlossenen Augen streckte sie ihre Nase in die Luft, während eine Brise ihr das in der Sonne kupferfarben leuchtende Haar um den Kopf wehte. Fahrig strich sie es fort und breitete die Arme mit einem tiefen Atemzug aus, als gehörte ihr die Welt. Das Meer erstreckte sich glitzernd unter ihr wie ein diamantbestickter blauer Teppich und bis auf das Rauschen der an den Strand brandenden Wellen und das Schreien der Möwen war nichts zu hören. Hier oben konnte sie für einen klitzekleinen Moment so tun, als wäre das hier ihr Leben, als wäre sie … frei. Frei, zu tun und zu lassen, was auch immer sie wollte. Als wäre sie eine von ihnen. Nein, nicht ganz. Als wäre sie die größte Piratin aller Zeiten. So wie ihre Mutter.
Sie ließ die Wehmut, die ihr ins Herz zu schneiden drohte, nicht zu und winkte stattdessen den Männern in den Takelagen der ankernden Schiffe lachend zu. Vom Hafen aus war sie so winzig, dass sie sie vermutlich nicht einmal bemerkten, doch das störte Scarlet nicht im Geringsten.
Sie atmete noch ein letztes Mal die salzige Luft ein, die ihr hier oben im Mastkorb schon immer frischer erschien, dann wirbelte sie herum, zückte ihre Pistole und feuerte sie ab. Der Rückstoß vibrierte durch ihren Arm, als eine an einem Ast befestigte Rumflasche zerbarst. Mit einem Kampfschrei sprang sie in die Seile und schwang sich über Deck, während sie die zweite Pistole zückte und eine weitere Flasche auf dem Erdboden in ihre Einzelteile zersprang.
Mit beiden Beinen kam sie hart auf dem Sand auf, ließ ihre nun nutzlose Pistole fallen und griff nach ihrer dritten und letzten. Sie visierte ihr Ziel an, ehe auch diese Flasche nicht mehr fähig war, auch nur einen weitere Tropfen Rum zu halten. Noch bevor die letzten Scherben im trockenen Gras landeten, zückte sie ihr Entermesser und ließ es durch die Luft sausen, wehrte unsichtbare Gegner ab, wirbelte um ihre eigene Achse und setzte dem Baum zu ihrer Linken die Klinge zum tödlichen Stoß an die Rinde.
»Ergib dich«, keuchte sie grimmig lächelnd und verharrte für einen Moment schwer atmend in dieser Position. Ihr Puls kam langsam zur Ruhe und der Moment zerplatzte wie eine aufsteigende Luftblase an der Wasseroberfläche, die sie zurück in die Wirklichkeit katapultierte. Zwischen die Palmen und Bäume, an die sie Seile geknüpft hatte.
Scarlet lockerte ihre Muskeln und trat mit einem schweren Seufzen zurück, ehe sie ihr Entermesser wieder an den Gürtel steckte und ihre im Sand verstreuten Pistolen einsammelte.
Langsam kletterte sie die Wante an der Königspalme hinauf und in ihren schief gezimmerten Mastkorb, um die Pistole zu bergen, die sie dort fallen gelassen hatte. Die Finger fest um den hölzernen Griff geschlossen, sah sie noch einmal hinaus aufs Meer und ließ ihren Blick über den Horizont bis zum Hafen von Tortuga schweifen. Ein Anblick, der mit einem Mal dumpfer wirkte, als hätte er etwas von seiner Farbe verloren.
Mit den Pistolen beladen kletterte sie wieder hinab und schlenderte die Düne entlang zu einem großen Stück ausgeblichenem Treibholz. Vorsichtig reihte sie ihre Schusswaffen nebeneinander auf, dann setzte sie sich auf das raue Holz. Für einen Moment streckte sie die Beine von sich und ließ sich von den Strahlen der Sonne wärmen, die sich gerade in Richtung Horizont neigte.
Wird er heute noch kommen?
Um sich abzulenken, fummelte sie ein abgenutztes Tuch aus ihrer Hosentasche. Sie fluchte, als der zum Zerreißen gespannte Stoff ihren Fingern kaum Platz bot. Ein Wunder, dass er noch nicht gerissen war und jedem einen wunderbaren Blick auf ihren Hintern ermöglichte. Sie hatte die Hose mit sechzehn von ihrem wenigen Geld erstanden und bekam sie nun kaum zu.
Mit einem Ächzen zerrte sie das Tuch hervor und starrte es missmutig an, als hätte es sich mit Absicht an den Stoff gekrallt. Vielleicht war es nach fünf Jahren doch Mal an der Zeit für neue Kleidung.
Seufzend begann sie, die Pistolen sorgfältig zu säubern. Normalerweise hätte sie sie auch gestopft, doch sie hatte eben ihre letzten Kugeln verschossen und nahm sich vor, morgen früh als allererstes in Roys kleinem Laden in der Nähe des Hafens vorbeizuschauen.
In ihrem Kopf fing sie sofort an zu rechnen, wie viel sie am heutigen Abend verdienen musste, um nicht nur Kugeln und Schießpulver, sondern auch Kleidung zu erstehen, und gelangte zu dem ernüchternden Schluss, dass die Hose wohl noch ein paar Wochen oder gar Monate durchhalten musste. Außer ihr Vater kam heute zurück. Dann müsste sie sich darüber keine Gedanken mehr machen und würde das erste Mal seit Jahren dankend seine Münzen annehmen. Zumindest bis sie sie ihm nach ihrem ersten Beutezug zurückzahlte. Sie konnte selbst für sich sorgen, das hatte sie ihrem Vater all die Jahre zur Genüge bewiesen, und sie würde auch weiterhin nicht auf ihn angewiesen sein. Bis auf den Punkt, dass sie ohne ihn nicht von dieser Insel herunterkam. Denn im Gegensatz zu ihm hatte sie kein Schiff.
Während sie mit dem Tuch über den Lauf einer der Pistolen strich, konnte sie nicht verhindern, dass ihr Blick immer wieder erwartungsvoll gen Horizont wanderte. Doch jedes Mal senkte sie ihn enttäuscht auf ihre Arbeit, wenn sie erneut keine weißen, im Orange der untergehenden Sonne aufleuchtenden Segel erblickte.
Eine Brise strich über Scarlet hinweg und ließ sie frösteln. Sie hielt in ihrer Arbeit inne, hob den Kopf und starrte auf die grauen Wolken, die sich in den letzten Stunden vom Land her immer mehr verdichtet hatten und sich bedrohlich über ihr auftürmten.
Verdammt. Sie hatte zu lange gewartet, doch die Sorge, die Ankunft ihres Vaters zu verpassen, hatte sie zögern lassen. Jetzt würde sie es nicht mehr rechtzeitig zurückschaffen.
Wie zur Bestätigung ihrer Gedanken grollte es in der Ferne und sie biss sich auf die Innenseite ihrer Wange, als eine kleine Welle der Angst über sie schwappte und ihre Muskeln versteifte.
Wütend schüttelte sie den Kopf, um sie zu vertreiben. Nein, sie hatte sicherlich keine Angst, nicht vor so einem mickrigen Regenguss.
Eilig verstaute sie ihre Pistolen am Gürtel, dann kämpfte sie sich die Düne hinauf. Der Sand wich langsam vertrocknetem Gras, was ihren zerschlissenen Schuhen mehr Halt bot. Durch die Löcher im Stoff rieselte Sand und rieb bei jedem Schritt unangenehm zwischen ihren Zehen. Noch etwas, das sie dringend erneuern musste. Doch immer, wenn sie in den letzten Jahren den Entschluss gefasst hatte, ihr Geld für Kleidung zu sparen, riefen die unförmigen Bleikugeln sie wie Sirenen, die sie an ihre Felsen locken wollten. Und sie war ihrem Lockruf stets erlegen. Jeden einzelnen Tag. Denn wenn sie nicht schießen konnte, wenn sie nicht trainieren konnte, dann war sie nicht mehr sie selbst: Keine Piratin, sondern nur noch ein armes Mädchen in diesem stinkenden Hafen.
Sie gelangte auf einen plattgetrampelten Pfad, der sich zwischen den lichten Wiesen, die mehr etwas von mit trockenen Sträuchern gespickter Erde hatten, hindurchschlängelte. Von hier oben konnte man im schnell schwindenden Tageslicht die windschiefen Dächer und moosüberwucherten Häuser von Tortuga bis hin zu den im Hafen vor Anker liegenden Schiffen überblicken. Eingerahmt wurde die kleine Stadt von Feldern und Palmen, was sie beinahe idyllisch wirken ließ. Doch dann betrachtete man die weißen Flecken auf den kaputten Dachschindeln und Strohdächern genauer und wurde daran erinnert, dass das hier einfach nur ein Scheißloch war, auf das sogar die aberhunderten Möwen, die diesen Ort belagerten, einen Dünnpfiff gaben.
Ihr Blick schoss nach oben, als ein Blitz die Wolkendecke erhellte. Diesmal war er viel näher als zuvor.
Sie beschleunigte ihre Schritte und mit jedem Donnergrollen zwang sie sich, schneller zu werden, bis sie zwischen den Wiesen hindurchrannte wie ein gehetzter Hase. Die Welt um sie herum verfinsterte sich immer mehr, und langsam verschwammen die Dächer vor ihr mit den tiefliegenden Wolken und der Dunkelheit, die um sich griff.
Sie drehte den Kopf und sah ein letztes Mal aufs Wasser hinaus, das nun aufgewühlt an den Strand brandete, in der Hoffnung, doch noch das Schiff ihres Vaters zu sehen. Aber die mittlerweile fast schwarze Gewitterfront verschluckte den Horizont und mit ihm auch die letzten Strahlen der Sonne wie ein umgeschüttetes Tintenfass.
Ein Blitz, gefolgt von einem lauten Krachen, ließ sie aufschreien und schützend die Hände über den Kopf schlagen. Panik schwoll in ihrer Brust und sie kniff hektisch atmend die Augen zusammen.
Tränen sammelten sich darin, als es erneut donnerte, und sie krallte die Finger wimmernd in die Erde. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie aufgehört hatte zu laufen und sich auf dem Pfad zusammenkauerte.
»Ich habe keine Angst«, flüsterte sie leise und zwang sich, langsam aufzustehen. Ihre Muskeln wollten ihr kaum gehorchen, doch schließlich setzte sie sich wieder in Bewegung.
Den Blick auf das vereinzelte Flackern von Laternen in der Ferne gerichtet, rannte sie weiter, während sie ihre Worte immer und immer wieder in Gedanken wiederholte und gegen die Angst, die mit jedem Donnergrollen und mit jedem zuckenden Blitz aufwallte, anschrie.
Dann setzte der Regen sturzbachartig ein und peitschte unbarmherzig über sie hinweg. Scarlet wusste, dass das Wasser warm war, dennoch stach es in ihre Haut wie Tausende Nadeln.
Keuchend stürzte Scarlet auf das erste Haus zu, das sich aus der Dunkelheit schälte. Mit zusammengekniffenen Augen stützte sie sich an der Hausecke ab, ehe eine Flut aus Bildern über ihr zusammenbrach. Sie stand nicht mehr auf der matschigen Straße zwischen windschiefen Häusern. Sie befand sich auf einem schwankenden Schiff und drohte, den Halt zu verlieren.
Ihre Finger bohrten sich in die Reling, während der Regen in ihr Gesicht peitschte und ihr die Sicht nahm. Ein Schrei zerfetzte die Luft, als einer der Männer über das geneigte Deck rutschte und in den tosenden Wellen hinter der Reling verschwand. Angst klammerte sich um Scarlets Herz und ihre Muskeln ächzten unter der Anstrengung, während sie versuchte, dem gleichen Schicksal zu entkommen.
Eine tiefe Stimme grollte mit dem Donner über Deck, ein Befehl, der vom Wind fortgezerrt wurde. Ihr Blick fand den Umriss ihres Vaters achtern, das Steuerrad in der Hand trotzte er dem Sturm stoisch wie ein Fels, und Stolz füllte ihre Brust.
Sie schluckte die Angst hinunter und schob sich langsam vorwärts, um zu ihm zu gelangen. Sie wollte, nein, sie musste an seiner Seite sein und irgendetwas tun, um sie alle aus dieser Misere herauszumanövrieren.
Eine Hand an ihrer Schulter ließ sie herumfahren und sie starrte in ein von nassem roten Haar gerahmtes Gesicht, das ihrem sehr ähnlich war.
»Was machst du hier?«, brüllte ihre Mutter über den Wind hinweg und Angst glänzte in ihren grünen Augen.
»Ich muss zu Vater!«, erwiderte Scarlet und wollte sich abwenden, doch ihre Mutter packte sie fest am Handgelenk und hielt sie zurück.
»Das ist viel zu gefährlich. Geh unter Deck!«
Scarlet schüttelte den Kopf, doch ihre Mutter festigte ihren Griff. Ihre Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst, sodass sich die Sommersprossen darum kräuselten. Dann zog sie sie mit sich, an der Treppe des Achterdecks vorbei und fort von Vater.
Scarlet stemmte sich gegen den Griff, hatte jedoch keine Chance, sich loszumachen. Als sie die Treppe erreichten, die zu den Offizierskajüten führte, drängte ihre Mutter sie die Stufen hinab, doch Scarlet krallte sich in das Holz des Geländers und sah auf.
»Ich muss zu Vater. Ich muss irgendetwas tun!«, schrie sie ihr entgegen und riss sich los.
»Du tust etwas. Und zwar bleibst du unter Deck, damit wir uns nicht auch noch Sorgen um dich machen müssen.« Sie griff wieder nach ihr, um sie weiter hinabzuschieben.
»Ich bin kein kleines Kind mehr!«, schleuderte sie ihr entgegen und machte sich erneut los, sodass ihre Mutter nach hinten taumelte. »Ich bin Blackbeards Tochter, ich bin eine Piratin. Ich verstecke mich nicht unter Deck, während unsere Männer dem Tod ins Auge sehen!«
Kurz meinte Scarlet, Stolz in den Augen ihrer Mutter aufflackern zu sehen, doch es konnte auch die Reflexion eines Blitzes sein, der über den dunklen Himmel zuckte. Dann trübte sich ihr Blick und ihre Lippen wurden noch schmaler, als sie sie erneut packte und hinter sich die Treppe hinab und den Gang entlangzerrte.
»Mama! Lass mich los!«
Sie stieß die erste Tür auf und schubste Scarlet in die Kabine, dann knallte sie sie zu und ein Klicken ertönte, als ein Schloss einrastete.
Scarlet warf sich gegen die Tür und rüttelte an dem Griff. »Das kannst du nicht machen!«, schrie sie und Tränen sammelten sich in ihren Augen. »Ich bin kein kleines Kind, das du einfach einsperren kannst!«
»Ich bin stolz auf dich.«
Scarlets Faust kam auf dem Türblatt zu ruhen, als sie schwer schnaufend erstarrte.
»Du bist eine wahre Piratin. Aber egal, wie erwachsen du bist, du wirst immer meine kleine Tochter sein, und wenn ich dich einsperren muss, um dich zu beschützen, dann werde ich das tun, selbst wenn du bereits alt und grau bist.«
Das Hämmern von Stiefeln auf Planken verriet ihr, dass ihre Mutter wieder an Deck rannte, und sie machte sich erneut am Türgriff zu schaffen.
Sie musste hier raus. Sie konnte nicht einfach tatenlos hier unten sitzen. Sie musste doch irgendetwas tun können!
Würgend erbrach Scarlet ihren Mageninhalt in den Matsch.
»Geh nicht«, wimmerte sie und schwankte gegen die Hauswand wie auf einem vom Sturm gebeutelten Schiff. »Geh nicht, bleib bei mir.«
Sie kniff die Augen zusammen. Wieso war ihre Mutter nicht mit ihr in der Kajüte geblieben? Dann … dann …
Mit zusammengebissenen Zähnen zwang sie sich, vorwärtszugehen. Langsam schob sie sich an der Hauswand entlang und versuchte, sich aus ihrem eigenen Kopf zu befreien. Jeder Donner versetzte sie acht Jahre in die Vergangenheit und jeder Blitz, der ihre Umgebung erhellte, holte sie in die Wirklichkeit zurück. Ihre Welt drehte sich schwindelerregend, während Vergangenes mit der Gegenwart verschmolz und sie das Gefühl hatte, als wäre sie bereits über die Reling geschleudert worden und würde in den tosenden Wellen versinken.
»Ich habe keine Angst«, murmelte sie und es hörte sich an wie ein lächerlicher Witz. Wofür hatte sie sich die letzten acht Jahre gezwungen, bei jedem Sturm nach draußen zu gehen, sich ihren Gefühlen zu stellen, um auf See auch bei Unwetter zu bestehen, wenn sie sich jetzt, da es bald so weit war, kotzend an einer Hauswand entlanghangelte?
Wieder krachte es und sie rannte blindlings los. Ein Schrei entglitt ihr, als sie in eine Pfütze trat und knöcheltief in das eisige Wasser einsank, wo der Lehmweg aufgerissen war.
Es war, als hätte man ihr einen Eimer Wasser über dem Kopf ausgekippt und sie nach einer durchzechten Nacht in die Realität zurückgeholt. Fluchend stolperte sie aus der Pfütze und schüttelte das Wasser aus ihrem durchweichten Schuh.
Ein Blitz erhellte den Himmel über ihr. Sie zuckte erneut zusammen und zog den Kopf ein, als wolle das Krachen sie niederdrücken.
Nein. Scarlet schüttelte den Kopf und straffte ihre schmerzhaft verspannten Schultern. Sie war stärker als das. Ihre Mutter hatte sie einst eingesperrt, um sie zu beschützen. Doch sie war nicht mehr dreizehn und nun würde sie ihren Platz einnehmen. Sie würde ihre Mannschaft beschützen, so wie sie es einst getan hatte, und sie stolz machen. Dafür musste sie stark sein.
Schlotternd schlang sie die Arme um sich und senkte den Kopf, um dem Unwetter zu trotzen. Dann hastete sie weiter. Die einzigen Wegweiser waren die Flammen der Öllampen, die an den Dachbalken links und rechts ihres Weges im Wind schaukelten. Zusammen mit jedem Platschen und dem damit verbundenen unangenehmen Einsinken ihres rechten Fußes in die durchweichte Sohle, hielten die Lichter die Bilder fern, die immer wieder versuchten, ihre Sicht zu vereinnahmen.
Sie bog um die Ecke und konnte schon von Weitem das hell erleuchtete Freudenhaus ausmachen. Das Holzschild quietschte vom Sturm gebeutelt in seinen Angeln und ließ die Meerjungfrau darauf schaukeln, als schwämme sie durch wogende Wellen.
Scarlet schloss ihre klammen Finger um den eisernen Türgriff und Erleichterung durchflutete sie, ehe sie die Tür aufriss und von der Wärme angezogen, die ihr entgegenwaberte, ins Innere stolperte. Sie fiel hinter ihr ins Schloss und der Lärm aus Stimmengewirr, Gelächter und klapperndem Geschirr löste das wütende Heulen des Sturmes ab.

Scarlet schloss für einen Moment erleichtert die Augen, während sie sich zwang, ihre Nackenmuskeln langsam zu entspannen.
Als ihr Puls sich einigermaßen beruhigt hatte, schob sie sich, eine Spur aus Pfützen hinter sich herziehend, zwischen den eng stehenden Tischen hindurch. Ab und an wich sie einem Trunkenbold, Ellenbogen oder einem Schwall Rum aus. Leicht bekleidete Frauen saßen auf Schößen betrunkener Männer oder schauten von der Galerie über ihnen auf die Menge herab.
Scarlet ging an der kleinen Bühne in der Raummitte vorbei und steuerte auf die Treppe am Ende des Schankraums zu, die auf die Galerie und zu den Zimmern führte.
»Wo ist denn jetzt diese besondere Hure?«, murrte ein Mann kaum zu überhören an einem der Tische.
»Ihr Name ist Scarlet und sie ist keine Hure, sie …«
»Sag jetzt bloß nicht, sie ist was Besonderes, du verliebter Lustmolch. Wer hier arbeitet, ist eine verdammte Hure.«
Mehr konnte und wollte Scarlet von dem dummen, alkoholgeschwängerten Unsinn nicht aufschnappen, denn in diesem Moment erreichte sie den Fuß der Treppe und eine füllige Frau kam ihr mit vor Wut zusammengezogenen Augenbrauen entgegen.
»Du törichtes Mädchen, sieh dich nur an! Wo bist du nun schon wieder gewesen?«, schalte Maria sie aufgebracht, packte Scarlet am Handgelenk und zog sie grob die Treppe hinter sich her nach oben. Die Frauen an der Brüstung musterten sie neugierig, während sie an ihnen vorbeigingen, dann schob Maria Scarlet in ihr Zimmer.
Sie schwieg, während Maria die Schranktüren aufzog, und konnte nicht verhindern, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen.
»Hier.« Maria warf ihr ein Handtuch zu, das Scarlet in der Luft auffing und ihre kalten Finger seufzend darin vergrub.
Schnell trocknete sie sich Gesicht und Hals ab, ehe sie ihre tropfenden Haare auswrang. Dabei beobachtete sie Maria, die weiter im Schrank herumwühlte und dabei wütend vor sich hinmurmelte. Sie meinte, Sätze wie »Wieso habe ich sie überhaupt aufgenommen?« und »Schmeiß sie bald raus« aus ihrem Brummeln herauszuhören und verkniff sich ein Schmunzeln. Maria hatte ihr in den vergangenen acht Jahren oft damit gedroht und es doch nie wahrgemacht. Sie wusste, dass sie es nicht übers Herz brachte, eine von ihnen auf die Straße zu setzen. Es darauf ankommen lassen, wollte sie aber nicht, also schwieg sie und versuchte, möglichst reuevoll dreinzublicken, um sie milde zu stimmen.
Maria holte einen Stapel gefalteter Kleidung aus dem Schrank und legte sie aufs Bett, dann drehte sie sich um und musterte Scarlet noch immer zornig, was sie dazu veranlasste, die Lippen unschuldig zu schürzen.
Sofort wurde Marias Miene eine Spur weicher und sie stützte die Fäuste in die Hüfte. »Zieh diese Sachen aus, bevor du krank wirst, und beeil dich. Die Gäste warten schon.«
Scarlet nickte ergeben und Maria drehte sich mit einem lauten Seufzen um. Bevor sie die Tür hinter sich zuzog, murmelte sie noch etwas, was Scarlet nicht verstand, doch sie würde wetten, dass es etwas wie »Womit habe ich das nur verdient?« war.
Sobald die Tür ins Schloss fiel, konnte sie das Grinsen nicht zurückhalten und kicherte in sich hinein. Schnell schlüpfte sie aus ihrer nassen Kleidung und legte sie zum Trocknen über die Lehne des Stuhls, der vor einem einsamen Tisch stand. Mit dem Handtuch rieb sie sich über die Haut, bis sie sich erwärmte und rosa färbte, dann rubbelte sie ihre Haare so gut es ging trocken.
Die Kleidung, die Maria ihr auf das Bett gelegt hatte, war eines ihrer üblichen Auftrittsgewänder. Scarlet hasste sie, doch wenn sie auch weiterhin einen Schlafplatz, Essen und Munition haben wollte, dann musste sie das wohl auch diesen Abend über sich ergehen lassen. Maria war zwar unter ihrer strengen Miene gutmütig, doch faul auf der Haut ließ sie einen auch nicht liegen, und geschenkt gab es in dieser Welt sowieso nichts. Sie hatte noch Glück, das wusste sie. Dass sie ihr Gold nicht auf die Art verdienen musste wie all die anderen Mädchen und Frauen in diesem Etablissement, war etwas, das sie nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen wollte.
Sie schlüpfte in ihre Unterwäsche und den kurzen Rock, der vorne auf halber Höhe ihres Oberschenkels endete, während er hinten bei jeder Bewegung über ihre Kniekehlen strich. Die Bluse entblößte ihre Schultern und gewährte einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté. Um ihre Körpermitte schnürte Scarlet ein enges Ledermieder, das ihre Brüste anhob und üppiger erscheinen ließ.
Es klopfte an der Tür und das Pochen drängte sie zur Eile.
Mit einem genervten Seufzen kämmte Scarlet schnell mit den Händen durch ihr lockiges Haar, dann schlüpfte sie in kniehohe Lederstiefel und setzte sich einen mit weiß-grauen Federn geschmückten Kapitänshut auf. Obwohl Frauen auf Schiffen verpönt waren, beflügelte sie an Land mit diesem Aufzug die wildesten Fantasien der Seemänner. Welch Ironie.
Als sie die Tür öffnete, blieb ihr gerade noch Zeit, nach der Geige daneben zu greifen, ehe Maria sie am Handgelenk gepackt mit sich schleifte. Sie blieben an der Galeriebrüstung stehen, und Scarlet konnte einen Blick auf die grölende, Rum saufende und Frauen begrabschende Menge unter ihr werfen.
Maria klatschte laut in die Hände und überblickte den Raum, ganz die Eigentümerin. Stolz und erhaben. Wie eine Kapitänin auf ihrem eigenen Schiff.
Einzelne Gespräche verstummten, Gesichter wandten sich ihnen zu, andere stießen ihre Tischnachbarn an und brachten sie zum Schweigen.
»Meine Herren, entschuldigt, dass ihr warten musstet, aber nun ist es so weit. Ich präsentiere euch die Frau, auf die ihr alle gewartet habt. Meine Herren, Applaus für die umwerfende Scarlet!«
Überschwänglicher Applaus, Gegröle und Getrampel schwollen im Schankraum an und Scarlet zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. Dann setzte sie ihre Geige an ihre Halsbeuge, schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Sie versuchte, die Geräuschkulisse um sich herum auszublenden und sich ganz und gar auf sich, ihre Gefühle und das Lied zu konzentrieren, das durch ihre Fingerspitzen und den Geigenbogen auf die Saiten fließen sollte.
Dann begann sie zu spielen.
Die süße Melodie waberte vom Balkon zu den Männern hinab und auch die letzten Gespräche verstummten, während ihr alle lauschten.
Ihre Geige sang von dem Knarren der Planken, dem Hissen der Segel und der Aufregung, wenn die Mannschaft zu neuen Ufern aufbrach. Sie erzählte von dem blauen Meer, das die Männer empfing, von dem endlosen Horizont voller Träume und unentdeckter Wunder. Die Sehnsucht hallte durch den Raum, das Sehnen nach Freiheit, nach der Ferne und dem Unbekannten.
Scarlet ließ den Geigenbogen sanfter über die Saiten gleiten und die Melodie wurde verträumter, sang von Schätzen und Glück, bevor sie schneller und abgehackter wurde, als die Mannschaft das Schiff in einen tosenden Sturm steuerte. Wellen brachen am Rumpf, kaltes Wasser hüllte sie ein. Angst suchte die Männer heim, doch ihr Mut stärkte sie und führte sie durch Blitz, Donner und alles, was die wütenden Meeresgötter ihnen entgegenschleuderten.
Die Männer begannen, im Takt zu stampfen, als würden sie selbst gegen die Wellen ankämpfen. Scarlet ließ ihren Geigenbogen immer schneller über die Saiten tanzen, die Melodie schwoll weiter an, bis man das Gefühl bekam, die Brust würde zu eng für all die darin wallenden Emotionen. Das Trampeln wurde lauter und dann … Stille.
Alle hielten den Atem an. Einen Wimpernschlag, zwei …
Dann stimmte sie eine sanfte Saite an. Der Sturm war vorüber, die See beruhigte sich, der Himmel klarte auf und das Schiff segelte unter einem Meer aus Sternen dahin. Sie funkelten am Himmelszelt, bis sie im Orange der aufgehenden Sonne verblassten. Die Männer segelten gen Horizont, in den beginnenden Tag hinein, der ein neues Abenteuer und Freiheit versprach.
Die letzte Note verklang und Stille umfing Scarlet. Langsam öffnete sie die Augen. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, alle Gesichter ihr zugewandt. Es waren bärtige, wettergegerbte Gesichter. Manche vernarbt oder verstümmelt. Männer der See. Sie alle hatten viele raue Tage und manch grausame Kämpfe hinter sich und doch blickten sie nun mit Tränen in den Augen zu ihr herauf. Die Melodie hatte sie berührt, tief in ihrer Brust, in der ihre schwarzen Herzen schlugen.
Dann brandete Applaus auf und Scarlet verzog den Mund zu einem breiten Lächeln. Dieser Abend war bereits ein voller Erfolg.
Scarlet blickte zu Maria, die ihr zufrieden zunickte und sie dann in Richtung Treppe scheuchte. Von dem Beifall begleitet stieg sie die Stufen hinab und betrat die Bühne in der Mitte des Raumes. Lächelnd stimmte sie das nächste Lied an, dann noch eines und noch eines. Die nächsten Stunden verwandelte sie den kargen, nach Rum, Schweiß und Eintopf stinkenden Raum in rauschende Wellen, das Klirren von Säbeln und Donnern von Kanonen, in Stürme und Blitze und in Träume von Schätzen und Reichtümern.
Als ihr letztes Lied verklang, verbeugte sie sich unter tosendem Applaus mit gezogenem Hut und die ersten Münzen klirrten auf dem Holz zu ihren Füßen. Die meisten waren spanische Acht-Reales-Münzen, doch auch ein paar wenige britische Schilling mischten sich darunter.
Während Maria und ein paar andere Frauen sie eifrig aufsammelten, ging Scarlet mit ihrem Hut in der Hand, einem aufreizenden Schwung in der Hüfte und einem koketten Lächeln auf den Lippen durch die Tischreihen. Die Männer waren nur zu bereit, ihr weitere Münzen in den Hut zu legen, wenn sie ihnen ihre entblößte Haut etwas näher als von der Bühne aus präsentierte. Ihre Musik konnte noch so schön sein, nackte Haut wurde beim Lockermachen des Geldbeutels nicht übertroffen.
Plötzlich landete eine Hand mit einem Klaps auf ihrem Hintern. Erschrocken fuhr sie herum und starrte in ein zu einem lüsternen Zahnlückenlächeln verzogenes Gesicht. Scarlet erkannte ihn als den Widerling, den sie am Anfang des Abends über sich reden gehört hatte.
»Wie viel für eine Nacht mit dir?«, lallte er und knetete dabei ihre Pobacke.
Scarlet entzog sich ihm und versuchte, ihre Miene freundlich zu halten, obwohl sie ihn am liebsten als nächstes Übungsziel für ihr Schusstraining verwendet hätte. »Diesen Dienst biete ich nicht an. Wenn dir aber mein Geigenspiel gefallen hat, dann freue ich mich natürlich über einen weiteren Besuch.«
»Was soll das heißen? Ich bin doch in einem Freudenhaus, oder nicht? Also bist du auch zu haben.« Er packte Scarlet am Handgelenk und sie schrie auf, als er sie an sich zog. Der Gestank nach verfaulten Zähnen und saurem Rum stieg ihr in die Nase und sie versuchte, sich aus seinem Griff zu winden.
»Mein werter Herr.« Scarlet sah auf. Maria war neben sie getreten und lächelte den Mann, der sie noch immer fest an sich gedrückt hielt, freundlich an. »Unsere Scarlet ist nicht für eine Nacht zu haben, aber ich kann Euch gern eines meiner besten Mädchen vorstellen.« Sie winkte eilig zur Treppe hinüber und ein paar Frauen lösten sich von der Brüstung und schlängelten sich hüftschwingend zwischen den Männern hindurch in ihre Richtung.
»Sie sind die Besten der Besten. Keine andere auf Tortuga könnte ihnen das Wasser reichen«, pries sie sie an, als sie sich lächelnd vor ihnen aufreihten, allen voran Sofia, deren hohe Wangenknochen von den sanften Wellen ihres blonden Haares umschmeichelt wurden.
»Ich will aber die hier«, blaffte der Mann nun und ein gequältes Wimmern löste sich aus Scarlets Kehle, als er ihr grob ins Haar packte und ihren Kopf nach hinten zog. Sie spürte, wie er seine Nase an ihrem entblößten Hals vergrub, und ein Schauer des Ekels glitt ihr Rückgrat hinab.
»Mein werter Herr, Sofia hier …«
»Sei still, Weib!« Seine Hand landete auf Scarlets Brust, und nun schrie sie doch auf und wand sich in seinem Griff. »Und du halt still, damit ich dich …«
Plötzlich versteifte er sich. Scarlet riss die Augen auf und starrte auf den silbernen Lauf einer Pistole, die an der Schläfe des Mannes zur Ruhe kam.
»Finger weg. Sofort!« Marias Stimme war nicht mehr die einer freundlichen Freudenhausbesitzerin, die ihren Gästen jeden Wunsch von den Augen ablas und alles dafür tat, dass sie glücklich, zufrieden und vor allem ohne ihr gesamtes Erspartes das Etablissement verließen. Nein, jetzt war sie die knallharte Geschäftsfrau, die ihre Schützlinge unter allen Umständen beschützte.
Scarlets Blick zuckte durch den Raum. Es war still geworden, keiner wagte etwas zu sagen, und sie sah, wie mehrere Stammgäste aufgestanden waren und sich ihnen langsam und drohend näherten. Sie wusste, dass sie es nicht auf Maria abgesehen hatten, sondern auf den Mann, der noch immer seine Finger um ihre Brust geschlossen hatte und dem sie nun wünschte, dass er dafür von den anderen windelweich geprügelt wurde.
»Ich sagte: Finger weg«, wiederholte Maria drohend und ein Klicken hallte durch die Stille des Raumes, als sie die Pistole scharf stellte. Der Mann, der in einer Art Schockstarre verweilt war, blinzelte nun und wurde merklich blass.
Augenblicklich lockerten sich seine Finger, und Scarlet entwand sich ihm. Sie packte ihren Hut, den sie auf den Boden fallen lassen hatte, und sammelte eilig ein paar hinuntergefallene Münzen auf.
»Komm.« Sofia beugte sich zu ihr herab und reichte ihr die Hand, dabei bedachte sie die sich verdichtende Menge um sie herum mit besorgtem Blick. »Wir sollten verschwinden.«
»Warte. Die Münzen.« Sie beeilte sich sie schneller aufzusammeln und Sofia kniete sich neben sie, um zu helfen.
Immer mehr Stiefel drängten sich in ihr Blickfeld und erschwerten ihr das Auflesen. Plötzlich griff Sofia nach ihrer Hand und zerrte sie mit sich auf die Füße.
Scarlets Blick blieb an einer halben Münze unter einer Schuhsohle hängen, und sie streckte die Hand danach aus. »Warte, ich muss …«
»Dafür ist keine Zeit!«, drängte Sofia.
In diesem Moment zerbarst eine Rumflasche, und Scarlet zuckte zusammen. Widerstandslos ließ sie sich von Sofia mit zur Treppe zerren, während hinter ihnen bereits die Fäuste flogen.
Keuchend erreichten sie die Stufen und Scarlets Kopf wirbelte herum. Im Schankraum herrschte Chaos. Männer ächzten unter Fausthieben, Stühle zerbarsten auf Rücken, Holz splitterte und Glasflaschen zersprangen.
Die Mädchen und Frauen eilten auf die Galerie oder verschwanden in ihren Zimmern, um vor den betrunkenen Männern in Deckung zu gehen. Keine von ihnen war wirklich überrascht, denn eine Prügelei wie diese fand mehrmals die Woche statt, und ihr Eintreten war so sicher wie der Sonnenaufgang.
Maria stand noch immer mitten im Raum wie im Auge des Sturms, entriss Männern Stühle und schubste oder trat sie laut zeternd in Richtung Ausgang.
»Dass die sich nicht einen Abend benehmen können«, stöhnte Bonnie neben ihnen und lehnte sich übers Geländer, um besser sehen zu können.
Maria stieß gerade einen langgezogenen Pfiff aus, und ein paar Männer schoben sich durch das Chaos und postierten sich an ihrer Seite. Maria hatte sie angeheuert, um in einem solchen Fall für Ordnung zu sorgen. Als Frau ein Geschäft zu führen, war mit mehr Gefahren als nur harmlosen Prügeleien verbunden, und Maria war nicht so blöd, es allein auf ihr Glück ankommen zu lassen.
»Ein Viertel-Achterstück, dass mindestens fünf Stühle heute Abend kaputt gehen.«
»Drei Achtel, dass es mindestens sieben sind«, hielt Sofia kichernd dagegen, und die beiden sahen Scarlet abwartend an.
»Das geht alles von unserem Lohn ab«, erwiderte sie mürrisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Dass sie nicht alle Münzen aufsammeln konnte, stieß ihr noch immer sauer auf, und obwohl der Abend so gut angefangen hatte, würde jetzt noch weniger für sie übrig bleiben.
Die Männer bugsierten den Verursacher des Chaos gerade zur Tür hinaus, und sie biss die Zähne wütend zusammen.
»Genau deswegen«, erwiderte Bonnie und suchte den Raum bereits nach Trümmerteilen ab. »Wenn schon weniger Lohn für mich rausspringt, dann muss ich ihn anderweitig besorgen.«
»Oder du verlierst noch mehr. So wie gestern«, stichelte Sofia und duckte sich lachend weg, als Bonnie spielerisch nach ihr hieb.
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis sich das sinnlose Umsichschlagen legte. Scarlet verdrehte die Augen. Betrunkenen Männern war das Ziel völlig egal, Hauptsache, sie konnten mitmischen und Gesichter blutig hauen.
Maria verdonnerte ebendiese Männer nun zum Aufräumen, und kurz darauf saßen alle wieder auf ihren Plätzen, als wäre nichts gewesen. Bis auf den kleinen Haufen Mobiliar, der nun zerstört in der Ecke stand. Ebenfalls kein ungewohnter Anblick.
Scarlet bekam nur beiläufig mit, wie Bonnie Sofia grummelnd etwas in die Hand drückte und es in ihrer Rocktasche verdächtig klirrte, ehe sie und die anderen Frauen auf Marias Wink hin wieder kichernd zwischen die Tischreihen strömten und Stimmengewirr und Lachen die Luft füllten.
»Zeig mal her.« Maria war zu Scarlet getreten und schaute in ihren Hut, dann nickte sie zufrieden. »Komm.«
Sie dirigierte Scarlet am Ellenbogen die Treppe hinauf und bis ans Ende des Gangs, wo sich Marias Zimmer und Büro befanden.
Es war ein großes Zimmer, mindestens doppelt, vielleicht sogar dreimal so groß wie Scarlets. Neben einem Bett, Waschtisch, einem eigenem Badezuber und einem großen Schreibtisch befand sich allerdings nicht viel darin, denn die Wände wurden von deckenhohen Regalen und Truhen gesäumt. Notizbücher über Notizbücher waren fein säuberlich aufgereiht und verzeichneten akribisch jede Einnahme und Ausgabe, einschließlich allem, was Scarlet ihr schuldete und ihr Vater vor acht Jahren versprochen hatte, doppelt zurückzuzahlen, wenn er sie mit auf sein Schiff nahm. Sie hatte die letzten Jahre mit ihrem Geigenspiel zwar etwas davon abarbeiten können, doch die erste Zeit war sie Maria nur zur Last und auf den Geldbeutel gefallen.
Maria schlängelte sich zwischen ein paar Truhen hindurch, dann setzte sie sich hinter den Schreibtisch, schlug eines ihrer Büchlein auf, und Scarlet legte den mit Münzen gefüllten Hut vor sie. Geduldig wartete sie, während Maria die Stücke des zerhackten spanischen Silbers sortierte, zählte und dabei in ihr Büchlein kritzelte.
»Hier«, sagte sie schließlich und schob Scarlet ein paar klägliche Achtel und Viertel zu.
Scarlet zog die Augenbrauen zusammen. »Das ist weniger als sonst.«
»Sieben zerbrochene Stühle, ein kaputter Tisch, mehrere Flaschen Rum. Das Chaos da unten muss bezahlt werden, und da du die Verursacherin bist …«
Scarlet schürzte die Lippen. Als ob sie darum gebeten hatte, begrabscht zu werden. »Kannst du mir nicht etwas mehr geben? Ich verspreche, ich komme ab jetzt pünktlich und arbeite doppelt so hart.«
Maria faltete die Hände auf dem Tisch. »Wofür brauchst du das Geld so dringend? Das Schiff deines Vaters könnte jeden Tag in den Hafen einlaufen, also wozu mir noch etwas schuldig sein?«
Scarlet biss die Zähne fest zusammen und knetete ihre Finger. Marias Worte schmerzten leicht. Jeder ging davon aus, dass er noch kam, und befeuerte ihre Hoffnungen. Dabei hätte er bereits seit Wochen da sein müssen.
»Ich brauche neue Hosen … und Schuhe. Du weißt, dass ich nicht gern Geld von meinem Vater annehme.«
»Scarlet, welchen Unterschied macht es denn, ob du dir von deinem Vater oder von mir Geld leihst?«
»Einen großen«, erwiderte sie bestimmt und sah Maria fest an. »Für mich macht es einen großen Unterschied.«
Maria seufzte, beugte sie sich wieder über ihr Buch und führte die Feder erneut kratzend über das Papier. Dann klaubte sie ein paar Viertel-Achterstücke aus ihrem Stapel und schob sie ihr über den Tisch zu. »In Ordnung. Aber ich will es zurück, bevor du abreist.«
Ein Strahlen legte sich auf Scarlets Züge, und sie ließ die Stücke klimpernd in ihrer Rocktasche verschwinden. »Danke, und ich verspreche dir, ich zahle dir alles zurück.«
Maria lachte, dann beugte sie sich über ihre Bücher und scheuchte Scarlet mit einer Handbewegung hinaus.
»Scarlet!« Charlotte rief nach ihr, kaum dass sie Marias Büro verlassen hatte, und winkte sie zu sich. Ihre Freundin stand bereits in ihrer geöffneten Zimmertür und hatte sich bei einem offensichtlich betrunkenen Mann untergehakt.
»Und?« Sie sah Scarlet fragend an, während der Mann neben ihr stolperte und sie ins Zimmer ziehen wollte. »Jetzt warte doch!«, murrte sie in Richtung des Trunkenbolds und klammerte sich an der Türzarge fest, um die Balance zu halten.
Scarlet wusste, wonach sie fragte, und schüttelte den Kopf. Schnell senkte sie die Lider, als sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen schossen, und schluckte schwer. Wieso schaffte sie es, den ganzen Abend zu lächeln, doch wenn ihre Freundin sie auch nur ansah, wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt?
Charlotte tätschelte ihr den Arm. »Er kommt noch, bestimmt.« Ihre Freundin lächelte zuversichtlich, dann wurde sie ruckartig in den Raum gezogen, und die Tür fiel hinter ihr mit einem lauten Knall zu.
Schnell betrat Scarlet ihr eigenes Zimmer direkt daneben und schloss hinter sich ab, sodass der Lärm nur gedämpft zu ihr hereindrang. Seufzend stellte sie die Geige an die Wand neben der Tür. Ihre Finger schmerzten, und sie streckte sie mehrmals, ehe sie sich an der Schnürung ihres Mieders zu schaffen machte. Noch immer spürte sie die Finger dieses Widerlings auf ihrer Haut und wollte so schnell wie möglich raus aus dieser Kleidung.
An der kleinen Waschschüssel, die auf dem Tisch stand, wusch sie sich kurz, dann schlüpfte sie in ihr Nachthemd und tapste barfuß zu ihrem Bett. Die durchgelegene Matratze gab unter ihrem Gewicht nach, als sie unter ihre Decke schlüpfte. Sie kratzte unangenehm auf ihrer Haut, dennoch zog sie sie sich bis über die Ohren, um die Geräusche aus dem Haus abzuschirmen. Das Gegröle der nun friedlichen Männer drang dumpf zu ihr durch, und auch das Knarzen von Betten aus den Zimmern um sie herum erinnerte Scarlet daran, wo sie sich befand.
Eigentlich sollte sie nicht allein in diesem Zimmer liegen, sondern in einer Kajüte auf dem Schiff ihres Vaters die Nacht verbringen. Jedes Jahr an ihrem Geburtstag kam er zwischen seinen Raubzügen für ein paar Tage auf die Insel zurück, wie er es ihr versprochen hatte. Jahrelang hatte sie auf diesen Geburtstag gewartet, denn als er sie mit dreizehn Jahren auf Tortuga abgesetzt hatte, versprach er ihr, sie mit einundzwanzig Jahren wieder mit auf See zu nehmen. Doch ihr Geburtstag war schon ein paar Wochen her, und auch heute waren die Segel seines Schiffes nicht am Horizont aufgetaucht.
»Er kommt noch, bestimmt«, wiederholte sie flüsternd Charlottes Worte. Wahrscheinlich wurde er von einem Sturm aufgehalten und würde morgen in den Hafen einlaufen. Scarlet wiederholte diese Worte immer wieder, konnte jedoch die Sorge nicht ignorieren, die sie langsam ergriff. Was, wenn ihm etwas zugestoßen war?
Nein. Sie schüttelte den Kopf und zog die Decke enger um sich.
Ein leises Klopfen an der Tür schreckte sie auf. Sie musste eingedöst sein, denn im Haus war es mittlerweile still. Wieder klopfte es, und Scarlet schlug die Decke zurück und tapste zur Tür.
»Scarlet, ich bin es.«
Schnell schloss sie auf, und Charlotte schlüpfte zu ihr herein. Ihre Freundin trug wie sie nur ein Nachthemd, und ihre langen blonden Haare waren zerzaust.
»Er ist eingeschlafen«, murmelte sie, und verzog ihr Gesicht zu einer gequälten Grimasse. »Darf ich heute Nacht bei dir übernachten?«
Scarlet nickte, zu erschöpft, um ein Wort zu sagen, und schlurfte zurück zu ihrem Bett. Charlotte schlüpfte neben ihr unter die Decke.
»Danke«, flüsterte ihre Freundin, und Scarlet drückte leicht ihre Hand. Obwohl das Bett für zwei Personen definitiv zu schmal war, ließ sie Charlotte oft bei sich schlafen. Meist waren ihre Freier so betrunken, dass sie nach dem Akt schnarchend ihr Bett beanspruchten. Dass ihre Freundin keine große Lust hatte, es sich neben den stinkenden Männern gemütlich zu machen, konnte Scarlet ihr nicht verdenken.
Sie lauschte in die Dunkelheit, während Charlottes Atemzüge langsam gleichmäßiger und tiefer wurden, und kuschelte sich tiefer in die Laken. Ihr letzter Gedanke, galt ihrem Vater.
Er kommt noch, bestimmt.

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